Erblasser – Vorerbe – Nacherbe

Befreiter Vorerbe: Erbe auf Zeit mit Zugriff. Erklärt von Gerhard Ruby, Spezialist für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Befreiter Vorerbe: Erbe auf Zeit mit Zugriff

Der Vorerbe ist ein Erbe auf Zeit. Ist die Zeit des Vorerben abgelaufen kommt der Nacherbe zum Zug. Der Verstorbene hat also zwei Erben. Erst den Vorerben. Dann den Nacherben.

Dabei wird zwischen dem normalen und dem befreiten Vorerben unterschieden. Der „normale“ Vorerbe darf nicht über den Nachlass verfügen. Er kann zum Beispiel kein Haus aus dem Nachlass verkaufen. Von diesen gesetzlichen Schranken kann er aber fast völlig befreit werden. Das eröffnet interessante Möglichkeiten für die Gestaltung von Testamenten. Das ist dann der „befreite“ Vorerbe.

Der normale Vorerbe

Vorerbe ist ein Erbe, der zunächst auf Zeit, und zwar längstens bis zu seinem Tod, erbt. Nach einem vom Erblasser bestimmten Ereignis, das man als „Nacherbfall“ bezeichnet, geht dann die Erbschaft an den Nacherben über. Hat der Erblasser den Nacherbfall nicht selber bestimmt, tritt der Nacherbfall aufgrund Gesetzes mit dem Tod des Vorerben ein. Der Nacherbe ist mit dem Nacherbfall der endgültige Erbe, man könnte sagen der eigentliche Erbe. Er muss daher auch vor Verfügungen des Vorerben geschützt werden. Deshalb sieht das Gesetz vor, dass der Vorerbe im Normalfall bestimmte Verfügungen nicht vornehmen darf. Er darf z.B. Grundstücke nicht verkaufen, keine Grundschulden und auch kein Wohnrecht eintragen lassen. Verfügt der Vorerbe unter Verstoß gegen das Gesetz dennoch – was er kann, er darf es nur nicht-  werden diese Verfügungen mit Eintritt des Nacherbfalls unwirksam. Hat zum Beispiel der normale Vorerbe ein Grundstück verkauft und steht der Käufer als neuer Eigentümer im Grundbuch ist doch der Nacherbe der wirkliche Eigentümer. Er kann das Grundstück dann herausverlangen.

Der befreite Vorerbe

Der Erblasser kann einen Vorerben von diesen gesetzlichen Beschränkungen und Verpflichtungen befreien. Die Befreiung ist insgesamt oder teilweise möglich. Dann spricht man vom befreiten Vorerben.

Der von allen gesetzlichen Beschränkungen befreite Vorerbe darf (im Unterschied zum normalen = nicht befreiten Vorerben):

  • den Nachlass für sich verwenden. Er muss daher bei Eintritt des Nacherbfalls nur die noch vorhandenen Nachlassgegenstände herausgeben bzw. deren Ersatzgegenstände, z.B. wenn er ein Haus verkauft hat und davon noch Geld übrig ist,
  • über Grundstücke und Rechte an Grundstücken entgeltlich verfügen, also verkaufen (aber nichts verschenken)
  • muss die Wertpapiere nicht auf Verlangen des Nacherben hinterlegen
  • ist nicht verpflichtet Geldvermögen, das nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft dauernd anzulegen wäre, mündelsicher anlegen
  • braucht keine Sicherheitsleistung und keine Auskunft über den Bestand des Nachlasses zu erteilen, was der Nacherbe vom normalen Vorerben verlangen könnte, wenn Grund zur Annahme bestünde, dass die Rechte des Nacherben durch die Verwaltung des Nachlasses erheblich verletzt würden
Teils beschränkt, teils frei

Die Beschränkungen der Vorerbschaft können nicht nur insgesamt, sondern auch nur zum Teil aufgehoben werden. Man kann es also zum Beispiel für die Grundstücke bei den normalen Beschränkungen lassen und nur für das restliche Vermögen befreite Vorerbschaft anordnen.

Grenzen der befreiten Vorerbschaft

Der befreite Vorerbe unterliegt aber immer den gesetzlichen Grenzen des § 2136 BGB, so dass

  • der befreite Vorerbe nichts aus der Vorerbschaft verschenken darf (wohl aber wenn der Vorerbe mit Zustimmung des Nacherben einzelne Gegenstände aus der Vorerbschaft freigibt, wozu es der Zustimmung etwaiger Ersatznacherben nicht bedarf)
  • alles zur Vorerbschaft gehört, was der Vorerbe als Ersatz (Surrogate) für Gegenstände aus der Vorerbschaft erwirbt
  • Vollstreckungshandlungen in die Vorerbschaft nur eingeschränkt möglich sind, § 2115 BGB. Der Erblasser darf nicht entgegen § 2115 BGB die rechtliche Möglichkeit zur Vollstreckung und Arrestvollziehung in Erbschaftsgegenstände durch Gläubiger des Vorerben eröffnen.
  • der Vorerbe dem Nacherben auf Verlangen ein Nachlassverzeichnis erteilen muss.
  • der Nacherbe das Recht hat, den Zustand des Nachlasses durch Sachverständige feststellen zu lassen, § 2122 BGB
  • er Schadensersatz nach Maßgabe des § 2138 Abs. 2 zu leisten hat, wenn er die Vorerbschaft z.B. böswillig verprasst.
Weitere Befreiung möglich

Bestimmte Gegenstände des Nachlasses kann der Erblasser jedoch dem Vorerben im Wege eines Vorausvermächtnisses (vgl. § 2150 BGB) zuwenden, so dass diese vorbehaltlich eines abweichenden Willens des Erblassers in das freie Vermögen des Vorerben fallen und der darüber auch unentgeltlich verfügen darf.

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