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Patchworkfamilie: Welche Gefahren drohen beim Erbfall? Erklärt von Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht, Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Patchworkfamilie: Welche Gefahren drohen beim Erbfall?

Gefahren drohen vom

1. Gefahr: Pflichtteilsrecht

Errichtet eine Patchworkfamilie ein Berliner Testament, kann es Schwierigkeiten wegen des Pflichtteilrechts geben. Wenn z.B. der Mann zwei Kinder hat und die Frau ein Kind, beerben sich beim Berliner Testament zuerst die Eheleute als Alleinerben, z.B. die Ehefrau den zuerst versterbenden Mann. Wollten die Eheleute die drei Kinder gleich behandeln und setzen sie alle drei als Schlusserben zu 1/3 ein, entsteht folgendes Problem: Die Ehefrau hat nur ein eigenes Kind, dessen Pflichtteil nach ihrem Tod die Hälfte des Gesamtnachlasses beträgt. Das Kind der Frau kann dann die Hälfte verlangen und die Stiefgeschwister erhalten nur jeweils 1/4. Das ist bei der Testamentsgestaltung zu beachten.

2. Gefahr: Erbschaftsteuer

Während Eheleute das Familienheim vom anderen Ehepartner steuerfrei erben können und zusätzlich einen Erbschaftsteuerfreibetrag von mindestens 500.000 Euro haben, sehen unverheirateten Patchworkern gegenseitig nur erbschaftsteuerliche Freibeträge von 20.000,– € zu. Selbst wenn man dem nichtehelichen Lebensgefährten im Testament nur ein Wohnrecht oder einen Nießbrauch am Haus zuwenden will, ist der Freibetrag von 20.000 Euro schnell verbraucht und alles was darüber hinausgeht mit 30 % zu versteuern.

Heiraten die Patchworker dann stehen nicht nur den leiblichen Kindern sondern auch den Stiefkindern jeweils 400.000 Euro als Steuerfreibetrag zu.

3. Gefahr: Altes Berliner Testament

Bei einem Berliner Testament mit seinem früheren Ehepartner kann der neue Patchwork-Partner erbrechtlich gebunden sein, so dass er vielleicht gar kein wirksames Testament mehr errichten kann.

3.1 Diese Gefahr droht vor allem bei verwitweten Partnern. Mit dem Tod des früheren Ehegatten ist der überlebende oft an die Schlusserbeneinsetzung im Berliner Testament gebunden. Er kann dann nicht mehr wirksam neu zugunsten des neuen Partners testieren.

Stand im alten Testament aber eine Wiederverheiratungsklausel kann die Bindung des verwitweten Partners durch die Wiederheirat des Patchwork-Gatten weggefallen sein: Wenn nämlich der verwitwete Ehegatte durch die neue Patchwork-Heirat die Vorteile verliert, die ihm beim Tod desfrüheren Ehegatten zugeflossen sind, so wird er meistens von der Bindung durch das alte Berliner Testament frei. Bei der Wiederheirat muss der überlebende Ehegatte, der oft Alleinerbe wurde, an die Kinder z.B. oft den halben Wert der Erbschaft auszahlen.

Die Bindung kann auch durch Erbschaftsausschlagung nach dem alten Ehepartner beseitigt werden. Die Ausschlagungsfrist beträgt aber nur 6 Wochen und ist so gut wie immer längstens abgelaufen, wenn man daran denkt, sich aus der Bindung zu befreien. Außerdem macht die Ausschlagung nur Sinn, wenn der erstverstorbene Ehegatte nicht viel zu vererben hatte.

Auch eine Anfechtung des alten Berliner Testaments mit dem früheren Ehegatten funktioniert selten: Eine Anfechtung, weil man die Bindungswirkung des Testaments, die nach dem Tod des alten Ehepartners eintritt, gar nicht kannte, lässt die Rechtsprechung nicht zu.

Beim Nachlassgericht anfechten kann man aber auch, wenn ein neues Kind oder ein neuer Ehepartner hinzukommt. Hier beträgt die Anfechtungsfrist ein Jahr nach der Geburt oder Heirat. Allerdings zerstört die Anfechtung nicht nur die Bindung, sondern auch die eigene Alleinerbeneinsetzung des überlebenden Ehepartners. Es tritt dann gesetzliche Erbfolge ein und der überlebende Ehegatte befindet sich dann in einer Erbengemeinschaft mit dem Kindern aus erster Ehe. Das Haus gehört ihm also nicht mehr allein.

3.2 Bei Geschiedenen wird die Bindungswirkung regelmäßig durch Scheidung der früheren Ehe beseitigt sein. Anders ist es, wenn die Bindung auch bei Scheidung der Ehe fortbestehen sollte.

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