Pflichtteil

Vorweggenommene Erbfolge. Erklärt von Rechtsanwalt Gerhard Ruby, Fachanwalt für Erbrecht. Konstanz, Radolfzell, Rottweil, Villingen-Schwenningen.

Vorweggenommene Erbfolge kann Folgen beim Tod der Eltern haben

Frage: 

Unser Vater hat mich, Georg, zum Alleinerben eingesetzt. Ich habe 300.000 Euro geerbt. Meinem einzigen Geschwister, das ist mein Bruder Alwin, hat er noch zu seinen Lebzeiten 100.000 Euro „im Wege vorweggenommener Erbfolge“ zugewendet. Alwin macht jetzt seinen Pflichtteil gegen mich geltend. Muss er sich die 100.000 Euro auf seinen Pflichtteil anrechnen lassen?

Antwort:

Alwin muss sich die Zuwendung nur anrechnen lassen, wenn dies vor oder bei der Übergabe vereinbart war. Wäre dies der Fall würde Alwin nichts mehr erhalten. Bei einer Anrechnungsbestimmung werden nämlich aus Sicht von Alwin zum Nachlass von 300.000 seine 100.000 Euro dazugerechnet. Aus den 400.000 bekommt er dann einen Pflichtteil von 1/4, mithin 100.000, auf die er sich seine Zuwendung von 100.000 Euro, die er bereits erhalten hat, anrechnen lassen muss, so dass unter dem Strich Null herauskommt.

Zu diesem Ergebnis kommt man aber nur, wenn die Anrechnung auf den Pflichtteil ausdrücklich angeordnet wurde oder aber in der Formulierung „im Wege vorweggenommener Erbfolge“ enthalten ist.

Der Bundesgerichtshof hat im Jahr 2010 zu dieser Frage gesagt, dass es folgende Auslegungsmöglichkeiten für die Formulierung „im Wege vorweggenommener Erbfolge“ gibt:

  • Ausgleichung (die etwas anders berechnet wird als die obige Anrechnung und bei der Alwin einen Pflichtteil von 50.000 Euro erhielte)
  • Anrechnung (wie oben geschildert mit dem Ergebnis Null Euro Pflichtteil für Alwin)
  • Kombination von Ausgleichung und Anrechnung
  • die Zuwendung ist als Ausstattung immer auszugleichen
  • die Formulierung hat überhaupt keine besondere Bedeutung (dann betrüge der Pflichtteil Alwins 75.000 Euro)

Der BGH geht davon aus, dass im Zweifel von einer Ausgleichungsanordnung auszugehen sei, so dass in Ihrem Fall Ihr Bruder Alwin einen Ausgleichungspflichtteil von 50.000 Euro verlangen könnte.

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